Pferdereha Wirtz

Wie Pferde lernen wollen

Antje Wirtz • 1. Dezember 2021

Was du wissen musst, wenn du deinem Pferd etwas beibringen möchtest: 

In diesem Artikel möchte ich beleuchten, was im Kopf deines Pferdes vorgeht, wenn du ihm etwas beibringen möchtest und ich möchte dir Wege zeigen, wie du deinem Pferd etwas beibringen oder abgewöhnen kannst ohne, dass du Druck, Zwang oder Strafe verwenden musst. 

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In der heutigen Episode soll es um eine der Grundlagen im Lernverhalten von Pferden gehen. Wie du vielleicht weiß, ist das ja eines meiner Spezialgebiete und ich möchte hier ganz viel Wissen verbreiten, was sicher vielen Reitern die Kommunikation mit Ihren Pferden erleichtert.

Wenn du also jemanden kennst, der das Thema auch spannend findet und wissen will, wie man sein Pferd mit Köpfchen trainiert, teile die Episode gerne über den Teilen Button.

 

Gut, kommen wir zum Thema:

Man hat immer mehrere Möglichkeiten seinem Pferd etwas beizubringen. Heute möchte ich mich auf die „operanten Konditionierung“ beziehen. Das ist ein sehr schlaues Wort für eine recht einfache Sache. Lernen durch ausprobieren


Das heißt, dass ein Pferd eine Verhaltensweise ausprobiert und dann schaut, ob es eine Konsequenz gibt. 


So lernen sie z.B die Selbsttränke zu bedienen. Sie versuchen den Hebel zu drücken und schauen was passiert … ah es kommt Wasser… spätestens, wenn das Pferd vorher Durst hatte, ist dies eine sehr wichtige Konsequenz für das Pferd und es wird schnell lernen, wie diese Tränke funktioniert.


Oder das Pferd möchte einfach mal ausprobieren, wie das Gras auf der anderen Seite des Elektrozauns schmeckt… das wird es die Erfahrung machen, dass die Berührung mit dem Zaun sehr schmerzhaft sein kann – das Gras auf der anderen Seite wird also eher nicht als lohnenswert angesehen, wenn man dafür solche Schmerzen aushalten muss. 


Pferde lernen dadurch, dass sie etwas ausprobieren und dann die Konsequenz, die auf ein Verhalten folgt, „bewerten“. 


Ist eine Konsequenz schön oder gibt dem Pferd etwas was es gerade braucht, wie Futter oder Wasser, wird das Verhalten öfter gezeigt bzw. immer dann ausgeführt, wenn das Pferd gerade braucht, was es durch das Verhalten bekommt (wie bei der Selbsttränke).


Wenn eine Konsequenz nicht schön ist oder sogar Schmerzen die Folge sind, wird das Pferd nicht besonders bestrebt sein, das Verhalten nochmal zu zeigen, bzw. wird es sich bemühen ein Verhalten abzustellen, welches ein unangenehmes Gefühl auslöst. 


Wissenschaftlich gesehen kann man die Konsequenzen in 2 Kategorien einteilen: 

Verstärker und Strafe 

Verstärker sind alle Konsequenzen, die das Verhalten unterstützen, also „mehr“ werden lassen.


Strafen hingegen sind alle Konsequenzen, die das Verhalten unterbinden und abstellen – also „weniger“ werden lassen.


Nun lassen sich Verstärker und Strafen nochmal in jeweils 2 Unterkategorien einteilen: 


Es gibt positive Verstärkung und negative Verstärkung


Und es gibt analog positive Strafe und negative Strafe


Dies hört sich vielleicht erstmal etwas verwirrend an, aber lass mich das für dich aufdröseln, dann wird es ganz leicht: 

Zunächst mal muss man wissen, dass Wissenschaftler komplett emotionslose Wesen sind und deswegen Begriffe wie positiv und negativ überhaupt nicht wertend gemeint sind, sondern lediglich beschreiben, ob etwas hinzugefügt wird (positiv = plus) oder ob etwas entfernt wird (negativ = minus)

 

Positiv und negativ heißt hier nicht gut oder schlecht, sondern nur plus und minus!

 

Bleiben wir erstmal bei den Verstärkern

 

Zum Einstieg ganz einfach und weil es meine Lieblingskonsequenz ist:


Die positive Verstärkung


Wie erinnern uns:

 

Verstärker sind alle Konsequenzen, die das Verhalten antreiben, festigen, unterstützen, also „mehr“ werden lassen. Positiv heißt, ich muss etwas dazu geben (PLUS). Das Pferd muss den Verstärker haben wollen.

 

Also was könnte ich wohl dem Pferd geben, was es auch gerne haben möchte, um es für ein Verhalten zu belohnen oder wie wir Trainier sagen, zu verstärken? Genau – ein Leckerli. Zb. Oder ein Kraulen, wenn es das mag, oder streicheln – wenn es das mag (Manche Pferde mögen Berührungen nicht, dann ist das natürlich auch kein Verstärker, denn Verstärker sind nur Sachen, die das Pferd haben will, oder Zustände die das Pferd gerne einnehmen möchte)

Das ist also positive Verstärkung: Ich gebe dem Pferd direkt nach dem Verhalten etwas was es haben möchte - also z.B. ein Leckerli

 


Die negative Verstärkung

 

Wir erinnern uns auch hier: Ein Verstärker ist etwas was das Verhalten verstärkt.

Verstärker funktionieren dann, wenn das Pferd ihn auch haben möchte.


Negativ heißt minus – das heißt wir nehmen dem Pferd etwas weg.

 

Was könntest du also aus einer Situation entfernen, um es dem Pferd angenehmer zu machen bzw. ihm etwas zur ermöglichen was es gerne haben möchte?

 

Alles was ihm unangenehm ist!

 

Wenn du es deinem Pferd z.B. ungemütlich machst, dort stehen zu bleiben, wo es gerade steht, wenn du es beispielsweise Rückwärts schicken möchtest, baust du körpersprachlich, oder mit dem Seil oder mit der Gerte psychischen oder physischem Druck auf.

 

Diesen Druck kannst du entfernen, wenn dein Pferd richtig reagiert und dein Pferd so in einen Zustand versetzen, den es gerne haben möchte (Es möchte keinem Druck ausgesetzt sein und sich unwohl oder bedrängt oder schmerzhaft fühlen).


Dein Pferd wird also bestrebt sein deinem Druck auszuweichen und entsprechen zu reagieren, damit es seinen Zustand wieder verbessert. Wenn du Druck aufbaust und sofort wieder wegnimmst, wenn dein Pferd richtig reagiert, dann arbeitest du mit negativer Verstärkung. Negative Verstärkung heißt immer, dass man ein Verhalten unterstützt oder herbeiführt, indem man etwas wegnimmt was unangenehm ist. Das was man wegnimmt sollte dem Pferd auch wirklich etwas unangenehm gewesen sein, sonst wäre es ja keine Erleichterung den Druck - oder was auch immer - los zu werden. Und ohne Erleichterung gäbe es hier eben keine Verstärkung des Verhaltens.

 

So einfach ist Pferdetraining mitunter: Druckaufbauen – Druck wegnehmen! Es ist keine Zauberrei – wie es ja manche Horsemen behaupten würden – und du bist auch nicht plötzlich zum Pferd mutiert und kannst dich in ihrer „Körpersprache“ mit ihnen unterhalten. Nein, du bist einfach ein Trainier der mit negativer Verstärkung arbeitet. Wissenschaft. Ganz einfach.
 

Übrigens, wenn man mal drüber nachdenkt, ist die ganze Reiterei auf negativer Verstärkung aufgebaut oder nicht?

 


Kommen wir nun auch noch zur Strafe die sich nach dem selben Prinzip aufdröseln lässt:

 

Strafe ist alles was ein Verhalten unterbindet und unterdrückt.

 

Bei der positiven Strafe – wir erinnern uns – fügen wir etwas zur Situation hinzu – was das Verhalten unterbindet.

Also auf deutsch gesagt. Wir geben dem Pferd einen bemerkenswerten Klapps auf den Popo… 

 

Auch die positive Strafe ist in der Reiter- und Pferdewelt leider noch häufig ein beliebtes Trainingsmittel. Gut eingesetzt funktioniert es immerhin – aber ganz ehrlich will man das? Also ich nicht.

 

Dann gibt es noch die negative Strafe, die sich ziemlich fies anhört. Aber eigentlich – noch die nettere Form der Strafe ist: negativ heißt ja wie bereits mehrfach erwähnt nicht: „schlecht“, sondern „minus“.

Das heißt wenn du mit negativer Strafe arbeitest, dann entfernst du etwas aus der Situation was das Verhalten deinen Pferdes unterbindet. Mit anderen Worten: Du nimmst dem Pferd zur Strafe etwas weg, was es gerne hat.

Du kannst ihm z.B. deine Aufmerksamkeit entziehen, aufhören zu trainieren (das funktioniert natürlich nur, wenn dein Pferd das Training liebt. – aber dazu in einer anderem Artikel mehr) das Kraulen einstellen oder die Möhre selber essen. 

So nun haben wir die 4 Konsequenzen der operanten Konditionierung besprochen: 

  • Die positive Verstärkung: Futterlob
  • Die negative Verstärkung: Erleichterung
  • Die positive Strafe: Klapps auf Popo
  • Die negative Strafe: Möhre klauen und selber essen

Lass dich mal auf ein Gedankenspiel ein: Wärest du ein Pferd: Wie würdest du am liebsten lernen???? 


Ich würde mich wohl für die positive Verstärkung entscheiden, wenn ich die Wahl hätte – und das ist tatsächlich auch meine Methode der Wahl, wenn ich meinen Pferden etwas beibringe. 


Jetzt ist es raus: Ich bin Clickertrainierin, ich arbeite mit Futterlob und ich besteche meine Pferde, damit sie Dinge für mich tun ;-)


Aber ich verzichte dafür auch darauf ihnen unangenehme Gefühle zu bereiten, damit sie etwas für mich tun. 


Von vielen bekomme ich dann zu hören, „der machts ja nur fürs Leckerli“ 


Aber dann muss man sich ja die Frage stellen, wenn es das Pferd nichts fürs Leckerli macht? Wofür macht es das denn dann? Wenn man Methoden hinterfragt, und analysiert wird man eine der 4 Konsequenzen finden. 


Negative Verstärkung, positive Verstärkung, positive Strafe oder negativer Strafe. Im Pferdebereich meistens die negative Verstärkung und positive Strafe. 


Letztendlich kommt es doch aufs Selbe raus oder nicht? 


Das Pferd möchte seinen Zustand optimieren und dafür etwas tun – entweder, um sich ein Lob zu verdienen oder um ein unangenehmes Gefühl abzustellen oder zu vermeiden. Die Pferde machen das in erste Linie nicht für mich. 


Das Pferd möchte für sich das Beste rausholen. Und das ist auch völlig legitim. 


Jedes Individuum hat das Bedürfnis seinen eigenen Zustand zu optimieren. Das ist völlig natürlich und von Mutter Natur auch so gewollt. 


Und das können wir hervorragend zum Training nutzen. Wir als intelligente Wesen können uns sogar aktiv entscheiden, welche der Konsequenzen wir im Training nutzen wollen. 


Denn wir haben dazu die Macht. 


In der Pferdeherde haben die Artgenossen leider selten die Möglichkeit Leckerli zu verteilen, wenn ein Freund etwas gut gemacht hat – aber wir sind auch keine Pferde. Wir sind Menschen. 


Und das wissen die Pferde auch ganz genau.


(Für alle die, die jetzt gerne das Argument anbringen wollen, das Pferde untereinander nicht mit Futter kommunizieren: erstens ist das so nicht mal richtig, und zweitens ist mir das auch herzlich egal wie Pferde mit Pferden kommunizieren. Ich bin ja ein Mensch – und in der Regel auch heilfroh, dass die Pferde das sehen, erkennen und mich eben NICHT wie ein Pferd behandeln – junge junge… da würden wir Zweibeiner aber gewaltig den kürzeren ziehen!)


Also was glaubst du? Wie würde dein Pferd lieber lernen, wenn es die Wahl hätte? Durch Belohnung und schöne Erlebnisse, oder lieber durch Erleichterung bzw. dass es bestraft wird, wenn es ein unterwünschtes Verhalten zeigt? 


Was denkst du welche Auswirkungen hat welche Trainingsmethode auf die Beziehung zu deinem Pferd? 


Schreib mir doch deine Gedanken zu dem Thema oder erzähle mir, wie das deiner Erfahrung nach so ist im Pferdetraining, und ob du schon die ein oder andere Konsequenz in deinem Training wieder erkannt hast.


Schreibe mir über Facebook oder Insta. Ich freue mich immer wahnsinnig über Post und Feedback.


Du ahnst es sicher schon - das hier wird ganz sicher nicht der letzte Artikel zum Thema "Lernverhalten beim Pferd" gewesen sein.  Ich möchte zukünftig noch weitere Mechanismen des Lernverhaltens beleuchten, und dir aufzeigen, was du noch für Möglichkeiten hast, um deinem Pferd etwas bei zu bringen. 


Wenn du gerne entspannt mit Futterlob arbeiten möchtest, ist vielleicht mein 4 Wochen Online-Kurs was für dich. In diesem Kurs geht es vor allem um die ersten Schritte mit Click und Futter und ich lege besonderen Fokus auf die Entspannung mit oder wegen Futter! In den 4 Wochen wirst du lernen, wie du selbst das gierigste Pony dazu bringst, sich auf dich zu konzentrieren und gut mitzuarbeiten. Außerdem gebe ich euch die wichtigsten Basics zum Thema Trainingspläne, Trainingskonzepte und Signalkontrolle mit!

Der Kurs findet nur wenige Male im Jahr statt. Wenn du ihn nicht verpassen möchtest, komm auf meinen Newsletter. Dort gibt es nicht nur jede Menge Infos rund ums gesunde Pferdetraining sondern, du verpasst auch keine Angebote oder Kurse. Unter www.antjewirtz.de kannst du der Liste kostenlos beitreten und es gibt sogar kein kleines Willkommensgeschenk :-)


Ich freue mich, wenn dich dieser Artikel inspiriert hat und interessant für dich war. Wenn dir gefällt was ich hier mache schicke doch einer Freundin den Link, damit sie diesen Artikel auch lesen kann :-)

 

Ich wünsche dir und deinem Pferd einen zauberhaften Tag. 


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